Miteinander in ethnischer Vielfalt: Neue Verhaltensindikatoren für den sozialen Zusammenhalt in multiethnischen Gemeinschaften
Sich in jüngerer Zeit verändernde globale Migrationsmuster haben vielfach zur öffentlichen Besorgnis über die möglichen negativen Folgen von ethnischer Diversität auf die soziale Solidarität in westlichen Gesellschaften geführt. Bisher haben jedoch nur wenige Studien versucht zu erklären, wie Vertrauen und Zusammenhalt in heterogenen Gemeinschaften aufrechterhalten werden können. Vor diesem Hintergrund zielt das vorgeschlagene Forschungsprogramm darauf ab, neuartige Verhaltensindikatoren für den sozialen Zusammenhalt in multiethnischen Nachbarschaften in deutschen Städten zu erstellen, um so die Entstehung positiver nachbarschaftlicher Beziehungen zwischen den Bewohnern zu analysieren. Während der gegenwärtige Stand der Forschung vorwiegend Vergleiche zwischen ethnisch homogenen und heterogenen Nachbarschaften zieht, besteht ein wesentlicher Beitrag des hier beabsichtigten Forschungsvorhabens darin, sich explizit auf wichtige bisher noch nicht erforschte Unterschiede zwischen ethnisch heterogenen Kontexten zu konzentrieren. Nur so können die Bedingungen verstanden werden, unter denen ethnische Diversität Zusammenhalt in der Gemeinschaft fördert bzw. auch möglicherweise untergräbt.
Unter Verwendung innovativer experimenteller Feldmethoden werden in diesem Forschungsprojekt fortgeschrittene Verhaltensindikatoren entwickelt, um die Variation des "prosozialen" Verhaltens in verschiedenen städtischen Nachbarschaften abzubilden. Darüber hinaus werden diese neu generierten Daten dazu verwendet, um (i) systematisch neue Theorien zu testen, wie verschiedene Merkmale heterogener Stadtteile zum lokalen Zusammenhalt beitragen, (ii) die Mechanismen auf individueller Ebene zu verstehen – "soziale" Präferenzen, Durchsetzung sozialer Normen und interethnischer Kontakt – die dem sozialen Zusammenhalt in einem multiethnischen Umfeld zugrunde liegen und (iii) ein besseres Verständnis der sozialen Beziehungen zu entwickeln, das die Erfahrungen sowohl von Menschen ohne als auch Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigt. Insgesamt werden die Ergebnisse dieser Forschung neue wissenschaftliche Perspektiven für den Zusammenhalt in ethnisch vielfältigen Gemeinschaften eröffnen und entscheidendes politisches Wissen darüber generieren, wie Vielfalt in einer Zeit des rapiden demografischen Wandels funktionieren kann.
In seinem ersten Jahr hat das Projekt Fortschritte bei drei verschiedenen, aber miteinander verbundenen Studien gemacht. Die erste Studie bestand aus einem „Lost Letter“-Experiment, das in Berlin, Mannheim/Ludwigshafen und im Frankfurter Raum durchgeführt wurde. Eine weitere Datenerhebung ist für das Jahr 2023 im Ruhrgebiet geplant. Die zweite Studie umfasste eine Analyse von geolokalisierten SOEP-Daten über Flüchtlinge in Deutschland. Ein Arbeitspapier ist in Vorbereitung. Für die dritte Studie planen wir ein Feldexperiment im Raum Mannheim zum Kontakt zwischen Flüchtlingen und Einheimischen im Frühjahr 2023.