Parlamente, repräsentative Demokratie und neue elektronische Medien im internationalen Vergleich
Neue digitale Medien wie das World Wide Web (WWW) eröffnen neue Gelegenheiten zur Wählerkommunikation mit möglichen Folgen für die Responsivität der repräsentativen Demokratie. Das Projekt untersuchte in einem internationalen Vergleich, ob und wie Abgeordnete die medientechnischen Gelegenheiten zur direkten Wählerkommunikation im Internet nutzen und welche Interessen und Wahrnehmungen sich aus Sicht der Akteure damit verbinden. Die Daten für diese empirische Untersuchung wurden in etwa 100 Leitfadeninterviews mit Abgeordneten in drei Parlamenten und durch eine quantitative Inhaltsanalyse aller persönlichen Webseiten aller Abgeordneten in drei Parlamenten zu zwei Untersuchungszeitpunkten (4/2000 und 4/2004) erhoben. Das Projekt war von der theoretisch begründeten Annahme geleitet, dass die Art der Nutzung der neuen medientechnischen Gelegenheiten aus einer Wechselwirkung zwischen medientechnischem Wandel und institutionellen Anreizen erklärt werden kann, sowie aus der Wirkung von spezifischen Kausalmechanismen, die zwischen diesen Makrophänomenen und der Verhaltensebene vermitteln. Die konkrete Annahme war dabei erstens die, dass die neuen medientechnischen Gelegenheiten über Prozesse des sozialen Wandels auf direkte (z.B. Generationenwandel im Parlament) und indirekte Weise (z.B. Generationenwandel bei den Wählern; Internetverbreitung im Wahlkreis) in den parlamentarischen Raum vermittelt und so handlungswirksam werden. Zweitens wurde aber davon ausgegangen, dass das jeweilige Wahl- und Regierungssystem unterschiedlich starke institutionelle Anreize zur Personalisierung setzt, die den Einfluss der medientechnischen Gelegenheiten auf Akteurshandeln moderieren. Diese theoretisch formulierte Annahme wurde in dem Projekt getestet, mit den folgenden drei Kernergebnissen. Die neuen medientechnischen Gelegenheiten üben erstens in allen drei untersuchten Parlamenten einen merklichen Innovationsdruck aus. In allen drei untersuchten Parlamenten werden persönliche Webseiten vor allem von jungen Abgeordneten, die einkommens- und bildungsstarke Wahlkreise vertreten, genutzt. Das Gewicht des jeweils wirksamen Kausalmechanismus variiert zwischen den Parlamenten. Das Personalisierungspotential des politischen Kontextes führt zweitens dazu, dass der Grad und die Art der Nutzung des WWW auf der individuellen Ebene zwischen den drei untersuchten Parlamenten entsprechend der theoretischen Annahmen erheblich variiert. Drittens wird in dem Projekt deutlich, dass sich die jeweiligen Nutzungsmuster nicht gänzlich aus dem isolierten Effekt einzelner institutioneller Faktoren erklären lassen, sondern aus je spezifischen institutionellen Konfigurationen. Während z.B. wahlsystemische Anreize zur Personalisierung einen sichtbaren Effekt auf das Nutzungsverhalten im US-Repräsentantenhaus und im Deutschen Bundestag haben, kann im Schwedischen Riksdag aufgrund der spezifischen Rahmenbedingungen kein signifikanter Effekt nachgewiesen werden.