Parteien und Demokratie in der Europäischen Union. Euro-Parteien als neue demokratische Vermittlerinstanzen in der EU?
Ziel des Forschungsprojektes war es, die Bedeutung der transnationalen europäischen Parteiföderationen, der sogenannten Europarteien, zu untersuchen. Die Europarteien sind im Mehrebenensystem der EU neben den nationalen Parteien bislang wenig wahrgenommene Akteure. Doch die Veränderungen der institutionellen Rahmenbedingungen in den 1990er Jahren, vor allem die Stärkung des Europäischen Parlamentes sowie die vertragliche Anerkennung und Finanzierung der Europarteien, haben die These nahegelegt, dass die Bedeutung der Europarteien im politischen Prozess der EU gewachsen ist und weiter wachsen wird. Eine umfassende parteivergleichende empirische Untersuchung sollte über die bisherigen Hinweise aus der Literatur (meist Fallstudien) hinausgehen und herausfinden, welche Funktionen diese Akteure im Willensbildungs- und Entscheidungsprozess der EU strukturell wahrnehmen können und tatsächlich wahrnehmen und inwiefern sie als grenzüberschreitende Zusammenschlüsse nationaler intermediärer Organisationen einen Beitrag zur Herausbildung eines europäischen intermediären Raumes leisten können. Die empirische Analyse erfolgte auf der Basis eines Methodenmixes aus Dokumentenanalyse und mündlichen Interviews. Insgesamt wurden 44 Parteistatuten, 55 verschriftlichte Leitfadeninterviews (von durchschnittlich 1-1½ Stunden) mit Verantwortlichen der Europarteien in Brüssel, der Fraktionen des Europäischen Parlamentes, der nationalen Parteien und parlamentarischen Fraktionen sowie 38 Kurzinterviews mit Parteitagsdelegierten in einem Datensatz zusammengeführt und mit Hilfe des Programms MaxQda codiert und (qualitativ) ausgewertet. Die Analysen haben ergeben, dass die Bedeutung der Europarteien in den 1990er Jahren tatsächlich gestiegen ist, wobei die Entwicklungspotentiale der Europarteien in den verschiedenen Funktionsbereichen sehr unterschiedlich zu bewerten sind. Doch haben sich weniger die klassischen Parteifunktionen als wegweisend herausgestellt, denn hier bleiben die Europarteien weiterhin „zahnlose Tiger“, die starken institutionellen Begrenzungen ausgesetzt sind. Ihr größter Beitrag besteht vielmehr in einer Netzwerkfunktion, indem sie den Rahmen für regelmäßige Zusammenkünfte der nationalen Parteiverantwortlichen und die Plattform für organisatorische wie programmatische Zusammenarbeit bieten und damit zur „Europäisierung“ der nationalen Parteien beitragen. In diesem Sinne bringen die Europarteien die strukturellen Voraussetzungen mit, um zur Herausbildung eines europäischen intermediären Raumes beizutragen.