Pork Barrel Politics in Deutschland
Das Projekt hatte zum Ziel, die Auswirkungen gemischter Wahlsysteme auf das Verhalten von Abgeordneten zu ermitteln, insbesondere hinsichtlich deren Einsatzes für öffentliche Bauprojekte in ihrem Wahlkreis. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass sich Abgeordnete in gemischten Wahlsystemen in einem Spannungsverhältnis zwischen ihrer Partei einerseits und ihren Wählern im Wahlkreis andererseits befinden. Während gängige Theorien in der Literatur bisher primär auf den Modus der Wahl von Abgeordneten abstellten (Wahlkreis oder Liste), sollte im Rahmen des Projektes explizit berücksichtigt werden, dass Abgeordnete ihre Wiederwahl anstreben und sich gemäß diesem Ziel verhalten. Durch die spezifischen Bedingungen von gemischten Wahlsystemen (z.B. Kandidatur im Wahlkreis und auf der Liste) entsteht daher eine komplexere Anreizstruktur, die über die Dichotomie Wahlkreis-Partei hinausgeht.
Die Analyse der daraus entstehenden Verhaltensmuster wurde am Beispiel von Mitgliedern des Deutschen Bundestages durchgeführt und bezog drei unterschiedliche Schritte ein: (1) die Entwicklung eines allgemeinen formalen Modells des Abgeordnetenverhaltens; (2) die Anwendung des Modells durch die Untersuchung von empirischen Daten zur Vergabe öffentlicher Verkehrsprojekte, zur Kommunikation von Abgeordneten über diese Projekte und der Reaktion von Wählern auf die Umsetzung solcher Projekte; (3) eine Analyse des unterstellten Kausalmechanismus durch Interviews von Abgeordneten über ihr strategisches Vorgehen zur Einwerbung der Projekte.
Als zentrales Ergebnis des formalen Modells ergab sich, dass Abgeordnete in gemischten Wahlsystemen ihr Handeln nur dann auf den Prinzipal Wahlkreis ausrichten, wenn der Wahlkreis umkämpft ist und der Abgeordnete nicht hinreichend über die Liste abgesichert ist (Typ 1). Alle anderen Abgeordneten werden primär die Partei adressieren (Typ 2). Dieser Befund bestätigt sich in den empirischen Analysen. Wahlkreise, die über einen Abgeordneten des Typ 1 mit Regierungszugehörigkeit verfügten, erhielten signifikant mehr Projekte als andere Wahlkreise. Darüber konnte gezeigt werden, dass eine Ausschusszugehörigkeit den finanziellen Rahmen der zugeteilten Projekte erhöhte. Eine anschließende Untersuchung der Bundestagswahlergebnisse erwies, dass Wähler ihre Abgeordneten bei erfolgtem Bau von Projekten an der Wahlurne belohnen.