Soziale Selektion im tertiären Bildungssystem und Arbeitsmarkterträge

Fragestellung/Ziel: 

In den zurückliegenden Jahrzehnten hat sich Hochschulbildung durch zunehmende Studierbeteiligung und durch institutionelle Ausdifferenzierung in den Hochschultypen, Studiengängen und Studienabschlussarten entscheidend gewandelt. Ziel des Projektes war es, die mit der Expansion und Differenzierung verbundenen Wandlungsprozesse vor allem in zweierlei Hinsicht zu untersuchen:

  1. im Hinblick auf die ungleiche Beteiligung verschiedener Bevölkerungsgruppen in den unterschiedlichen Hochschulausbildungsgängen sowie die Formen und Mechanismen dieser Selektivität und die Gründe ihres Wandels.
  2. im Hinblick auf die Berufschancen und Arbeitsmarkterträge von Absolventen der verschiedenen Ausbildungsgänge und die damit und mit der sozial selektiven Hochschulbeteiligung verbundenen Folgen für die intergenerationale Reproduktion sozialer Ungleichheit.

Diese Fragen wurden vor allem für Deutschland – in ausgewählten Aspekten jedoch auch international vergleichend – auf der Basis umfangreicher, die zeitliche Entwicklung quantitativ abbildender Datenreihen (Mikrozensen, European Labour Force Surveys, Bevölkerungsumfragen und insbesondere Daten der Studienberechtigten- und Studierendenerhebungen der Hochschulinformationssystem GmbH (HIS) Hannover untersucht.
Im Ergebnis ist die Ungleichheit beim Erwerb der Studienberechtigung deutlich kleiner geworden, vor allem als Folge der vermehrten Angebote berufsbezogener Wege zur Hochschulreife, in denen die Beteiligung von Kindern bildungsferner Herkunft deutlich zugenommen hat. Die soziale (Selbst-)Selektion vollzieht sich aber in jüngerer Zeit verstärkt auf der Stufe des Übergangs ins Studium und in die unterschiedlichen Typen post-sekundärer Ausbildungsoptionen, da dort im Gegenzug zum Abbau der Ungleichheit in der Sekundarstufe die Ungleichheit im Zeitverlauf zugenommen hat. Insbesondere Hochschulberechtigte aus bildungsferner Herkunft nehmen ihre Studienberechtigung zunehmend seltener wahr. In der Kumulation beider Entwicklungen hat die Ungleichheit beim Erwerb von Hochschulbildung dennoch langfristig insgesamt leicht abgenommen. Die Untersuchungen haben weiterhin gezeigt, dass beim Übergang in die post-sekundären Ausbildungsgänge vor allem sog. sekundäre (leistungsunabhängige) Einflussfaktoren für die nach Herkunft differierenden Übergangsraten in die Hochschulbildung verantwortlich sind. Unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich der Ausbildungsdauer sowie finanzielle Restriktionen machen dabei einen Großteil der sekundären Effekte aus.  Darüber hinaus fand das Projekt vielfältige weitere Befunde zur Wahl unterschiedlich vorteilhafter Studienfächer und zur Entwicklung und zum Wandel der Studienbeteiligung nach Geschlechtern und ethnischen Herkunftsgruppen.
Die Ergebnisse des Projekts zur Entwicklung der Bildungserträge zeigen, dass es entgegen der oft geäußerten Befürchtungen, die Expansion der Hochschulbildung sei mit einer inflationären Entwertung der Abschlüsse verbunden, zu keiner kontinuierlichen Minderung der Erträge höherer Bildungsabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt gekommen ist. Zwar schwächen sich die absoluten beruflichen Erträge tertiärer Abschlüssebezogen auf den Anteil an Dienstklassenpositionen sowie das durchschnittliche Berufsprestige, insbesondere für Frauen, in den 1980er-Jahren bis Mitte der 1990er etwas ab, steigen dann aber bis in die Gegenwart wieder leicht an.  Auch relativ zur Entwicklung der Erträge anderer Abschlüsse ist langfristig kein merklicher Abbau der besonders vorteilhaften Stellung von Hochschulabschlüssen   auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu beobachten.
Bei den Folgen der Entwicklungen im Bildungssystem für die soziale Mobilität oder Immobilität zwischen der Position der Eltern und der Position der Kinder zeigen die Ergebnisse, dass die Ungleichheitsreproduktion langfristig abgenommen und die soziale Durchlässigkeit zugenommen hat. Die Abnahme erfolgte zum einen als Folge verringerter Ungleichheit beim Bildungserwerb, zum andern als direkte Folge der Expansion höherer Bildung: Bei Personen mit Hochschulbildung ist der spätere Berufsverlauf weniger stark von Bedingungen der sozialen Herkunft abhängig als bei Personen niedriger Bildungsabschlüsse. Mit dem Wachstum der Hochschulabsolventenanteile ist deshalb auch als Folge veränderter Bildungskomposition der Bevölkerung die intergenerationale Ungleichheitsreproduktion leicht schwächer geworden und die intergenerationalen soziale Mobilität hat zugenommen.
Diese und weitere Ergebnisse des Projektes, auch zum internationalen Vergleich, sind in zahlreichen Veröffentlichungen publiziert.

Arbeitsstand: 


Fact sheet

Finanzierung: 
DFG, MZES
Laufzeit: 
2003 bis 2012
Status: 
beendet
Datenart: 
Labour Force Surveys
Geographischer Raum: 
West-Europa

Veröffentlichungen