Thomas König
Kanzler, Minister und Sachverständige. Eine Untersuchung der Bedeutung von Vertrauen für die Delegation von Reformen am Beispiel der Hartz-Reformen

Politische Vierteljahresschrift, 2015: 56, Heft 2, S. 182-210
ISSN: 0032-3470 (print + online)

Im Mittelpunkt des Beitrags steht die Frage, unter welchen Bedingungen sich die inhärenten Interessengegensätze von Kanzlern, Ministern und Experten überwinden lassen. Dem Modell von Fang und Stone (2013) folgend können Kanzler nur Vertrauen in die Reformempfehlungen von Experten aufbauen, wenn ein reformfreudiger Minister im Amt ist. Am Beispiel der Hartz-Reformen zeige ich, dass sich die Parteien dem Thema Reform der Arbeits- und Sozialsysteme in ihren Parteiprogrammen und Koalitionsvereinbarungen im Wahljahr 2002 kaum widmeten, aber der Sachverständigenrat seine Informationsübermittlungsstrategie nach dem Amtsantritt Wolfgang Clements im Jahresgutachten 2002/03 änderte. Seine deutlicheren Reformempfehlungen wurden von der Regierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht 2003 übernommen und die Hartz-Reformen bis 2005 umgesetzt.

This article investigates under which conditions it is possible to overcome the inherent interest divergence among chancellors, ministers and experts. Following a model of Fang and Stone (2013), the existence of a reform-prone minister is a necessary condition for chancellors to trust experts’ reform recommendations. Using data on the recommendations for the German Hartz reforms, I find that the political parties put emphasis on the topics of this reform neither in their programmatic manifestos for the 2002 election nor in their coalition agreements. However, I show that the Economic Expert Council changed its recommendation strategy in its annual report of 2002/03 after the reform-prone minister Wolfgang Clement came into office. The government incorporated the recommendations in the following 2003 economic report and implemented the Hartz reforms until 2005.