In der politikwissenschaftlichen Literatur zu Verfassungsgerichten findet sich häufig die These einer fortschreitenden Justizialisierung der Politik, durch welche die Handlungsfreiheit politisch gewählter Organe in der Gesetzgebung immer weiter eingeschränkt werde. Andere Autoren betonen hingegen die Grenzen der Justizialisierung, da Verfassungsgerichte zur Umsetzung ihrer Urteile auf die Unterstützung anderer Organe angewiesen seien und daher ihre formalen Handlungsmöglichkeiten nicht uneingeschränkt wahrnehmen könnten. Ich vertrete im Sinne des zweiten Ansatzes die These, dass die Bereitschaft eines Verfassungsgerichts, aktiv in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen, von dem der Entscheidung zugrunde liegenden Grundrechtstyp abhängt. Verfassungsgerichte gewähren der politischen Mehrheit systematisch mehr Entscheidungsfreiheit bei Fällen zu positiven Grundrechten als zu negativen Abwehrrechten. Sie versuchen, ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu bewahren, indem sie auf die klassische Gewaltenteilungsdoktrin zurückgreifen. Diese mag zwar als wissenschaftliches Erklärungsmodell für politische Prozesse veraltet sein, wird in der Öffentlichkeit aber weiterhin akzeptiert und ist daher für die Kalkulationen politischer Akteure relevant. Der Beitrag zeigt, wie diese Argumentation in Georg Vanbergs Modell der Interaktion zwischen Verfassungsgericht und Parlamentsmehrheit integriert werden kann, und illustriert ihre Plausibilität an zwei Fallstudien zum deutschen Bundesverfassungsgericht und dem italienischen Corte Costituzionale.