Alexander Somek
Mobilität – Wider ein verkürztes Verständnis von Supranationalität

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung: Arbeitspapiere; 55
Mannheim
,
MZES
,
2002
ISSN: 1437-8574

Supranationalität lässt sich als Ausdruck eines normativen Prinzips verstehen, das im Recht der Europäischen Union manifest ist. Grob umrissen besagt dieses Prinzip, dass eine supranationale Gemeinschaft jene Nachteile beseitigt, die sich für Menschen aus der Koexistenz von Nationalstaaten ergeben. Dieses Prinzip der Supranationalität hat im Integrationsprozess eine dominierende Auslegung erhalten, die weit über seinen juristischen Kontext hinausgeht. Demnach wird Supranationalität allgemein als Gewährleistung von Mobilität verstanden. Durch dieses Verständnis wird der ursprüngliche Sinn der Supranationalität einerseits zwar verengt; andererseits verleiht die dominierende Auslegung der Supranationalität aber auch eine gewisse substantielle Kohärenz, da die Supranationalität so definiert auch den Schlüssel zum Verständnis von Strukturfragen bietet. Auf ihrer Grundlage lässt sich der Europäische Föderalismus als Spielart des kompetitiven Föderalismus begreifen, dem durch die Währungsunion ein besonderes Gepräge verliehen wird. Insofern dieser Föderalismus darin resultiert, dass Angehörige von Nationalstaaten Nachteile aus den sozialpolitischen Versäumnissen oder der wirtschaftlichen Ohnmacht ihrer Heimatländer haben, dann gerät die dominierende Auslegung mit dem ursprünglichen Sinn der Supranationalität in Konflikt.

Dieses Arbeitspapier ist Ergebnis eines Beitrags zur Tagung "Verfassungspolitik in der Europäischen Union" im DFG-Forschungsschwerpunkt "Regieren in der EU" im November 2001 in Mannheim. Abgedruckt ist es in dem Sammelband, in dem die Beiträge zu dieser Tagung gebündelt wurden.

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