Zweitstimme.org kann jetzt auch Erststimme: Politikwissenschaftler veröffentlichen Prognosen für alle 299 Wahlkreise
Zweitstimme.org kann jetzt auch Erststimme: Das Prognose-Portal zur Bundestagswahl von Wissenschaftlern aus Mannheim, Berlin und Zürich liefert nun auch Prognosen für alle 299 Wahlkreise. Unter zweitstimme.org/wahlkreis.html geben die Wissenschaftler die Gewinnchancen der Parteien für jeden Wahlkreis an. Unter zweitstimme.org/hc/hc_directmap.html steht die Prognose auch in Form einer interaktiven Karte zur Verfügung.
Für ihre Prognose teilen die Wissenschaftler die Wahlkreise in vier Kategorien von "offen" bis "sicher" ein: "Wir sehen den Wahlausgang in einem Wahlkreis als offen an, wenn keiner der Kandidaten eine Gewinnwahrscheinlichkeit von mindestens 65 Prozent erreicht. Wenn ein Kandidat eine Wahrscheinlichkeit zwischen 65 und 85 Prozent zugeschrieben bekommt, dann prognostizieren wir eine Tendenz für diesen Kandidaten. Bei Wahrscheinlichkeiten von 85 bis 95 Prozent gehen wir davon aus, dass der Kandidat den Wahlkreis wahrscheinlich gewinnt. Kreise mit einer noch höheren Gewinnchance als 95 Prozent für einen Kandidaten bezeichnen wir als sicher", erklärt Professor Thomas Gschwend, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES). Derzeit sehen die Forscher in 44 Wahlkreisen das Rennen als völlig offen an, in 133 Wahlkreisen halten sie es für bereits gelaufen.
Wahrscheinlichkeiten für jede/n Kandidat/in in jedem Wahlkreis
Doch wie gelangen die Wissenschaftler zu ihren Prognosen? Für das Projekt Zweitstimme.org hat Thomas Gschwend gemeinsam mit seinen beiden Mitarbeitern Sebastian Sternberg und Marcel Neunhoeffer sowie Dr. Simon Munzert von der HU Berlin und Dr. Lukas Stoetzer von der Universität Zürich ein Rechenmodell entwickelt, das den wahrscheinlichen Wahlausgang simuliert – hunderttausendfach. "Vereinfacht gesagt kombinieren wir verschiedene Umfragen mit den Erfahrungswerten aus allen Bundestagswahlen seit 1949. Über einen sogenannten MCMC-Algorithmus wird dann der mögliche Wahlausgang hunderttausendmal simuliert. Daraus leiten wir das wahrscheinliche Zweitstimmenergebnis ab. Und dieses fließt auch in die Erststimmenprognose ein", erläutert Sebastian Sternberg die Herangehensweise. Für die Erststimmenprognose betrachten die Politikwissenschaftler anschließend gesondert jeden einzelnen Wahlkreis: Wie sahen die Ergebnisse in der Vergangenheit aus? Wie populär ist der amtierende Abgeordnete in seinem Wahlkreis – und tritt er zur Wiederwahl an? "Für jede in einem Wahlkreis kandidierende Person berechnen wir die Wahrscheinlichkeit, mit der sie ihren Wahlkreis gewinnen kann", sagt Marcel Neunhoeffer. "Das ist auch Unterschied zu anderen Wahlkreisprognosen: wir können auf Basis unserer Simulationen bestimmen, wie sicher oder unsicher unsere Prognose ist", ergänzt der Politikwissenschaftler. Wie die Prognosen genau funktionieren beschreibt das Forscherteam in seinem Blog unter zweitstimme.org/blog.html .
Wahlentscheidend ist die Zweitstimme – aber auch die Erststimme birgt jede Menge Spannung
Wichtig ist den Wissenschaftlern darauf hinzuweisen, dass für das Ergebnis der Bundestagswahl die Zweitstimme ausschlaggebend ist: "Die Zweitstimme ist bei der Bundestagswahl die alles entscheidende Stimme. Seit es auch keine Überhangmandate mehr ohne Ausgleich gibt, kann man aus dem Zweitstimmen-Ergebnis auch relativ direkt mögliche Mehrheiten im Bundestag berechnen." Für die Vorhersage des Wahlergebnisses reiche also eine Prognose der bundesweiten Zweitstimmenanteile völlig aus, betonen die Wissenschaftler auf ihrer Website. Spannend sei der Blick auf die Erststimme aber allemal: "Vor Ort in den Wahlkreisen fokussiert sich der Wahlkampf häufig auf die Frage: Wer wird direkt in den nächsten Bundestag gewählt? Die Erststimme entscheidet direkt über die personelle Zusammensetzung des Bundestags. Die 299 Wahlkreissiegerinnen und -sieger bekommen ihr Mandat im nächsten Bundestag, unabhängig davon wie ihre Partei insgesamt abschneidet. Es ist also durchaus von Interesse, wer in welchem Wahlkreis gewinnt. Und mindestens genauso spannend ist es, vor dem Wahlabend eine Einschätzung darüber zu haben, in welchen Wahlkreisen das Rennen besonders eng wird", erklärt Thomas Gschwend.
Weitere Informationen und Kontakt:
Das Team von Zweitstimme.org besteht aus Professor Thomas Gschwend, Ph.D. (Universität Mannheim und MZES), Dr. Simon Munzert (Humboldt-Universität zu Berlin, davor Universität Mannheim und MZES), Dr. Lukas Stoetzer (Universität Zürich und MZES External Fellow), Sebastian Sternberg, M.A., Marcel Neunhoeffer, M.A. (beide Universität Mannheim).
Prof. Thomas Gschwend, PhD
Universität Mannheim
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Telefon: +49-621-181-2087
Telefax: +49-621-181-2845
gschwend [at] uni-mannheim.de
http://methods.sowi.uni-mannheim.de/thomas_gschwend/
Marcel Neunhoeffer, M.A.
Universität Mannheim
Tel: +49 621 181 2542
mneunhoe [at] mail.uni-mannheim.de
Sebastian Sternberg, M.A.
Universität Mannheim
Telefon: +49 621 181 2542
sebastian.sternberg [at] gess.uni-mannheim.de
Nikolaus Hollermeier
Direktorat / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2839
Telefax: +49-621-181-2866
nikolaus.hollermeier [at] mzes.uni-mannheim.de
www.mzes.uni-mannheim.de
(Pressemitteilung Universität Mannheim, 20.09.2017)