Jochen Müller, Marc Debus
Koalitionsoptionen und Lagerdenken aus Wählerperspektive. Eine Analyse anhand der Parteiensympathien der Bundesbürger von 1977 bis 2011

Pp. 119-148 in: Sigrid Roßteutscher, Thorsten Faas, Ulrich Rosar (Eds.): Bürger und Wähler im Wandel der Zeit: 25 Jahre Wahl- und Einstellungsforschung in Deutschland. 2016. Wiesbaden: Springer VS
[Veröffentlichung des Arbeitskreises "Wahlen und politische Einstellungen" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW)]

Das Regieren in Koalitionen stellt in der Bundesrepublik Deutschland auf Bundes- wie Landesebene die Regel dar. Dies ist auch den Wählern bewusst: So nimmt die Debatte um mögliche Zusammensetzungen der nächsten Regierung nicht nur eine hervorgehobene Rolle in der Berichterstattung zu den jeweiligen Wahlkämpfen ein, sondern beeinflusst auch in signifikanter Weise das individuelle Wahlverhalten. Im vorliegenden Beitrag gehen wir der Frage nach, wie sich in der Bundesrepublik Deutschland die Sympathien der Parteianhänger gegenüber den anderen Parteien – und damit gegenüber möglichen Koalitionen – entwickelt haben. Dabei untersuchen wir für den Zeitraum von 1977 bis 2011, ob die Veränderungen in den Parteiensympathien mit Entwicklungen in der Struktur des bundesdeutschen Parteiensystems und Parteienwettbewerbs einerseits sowie den Mustern der Regierungsbildung andererseits einhergehen. Wir überprüfen unsere Erwartungen anhand einer Analyse der Daten des Politbarometers der Forschungsgruppe Wahlen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Haltung der Parteianhänger gegenüber den anderen Parteien verändert und sie sich damit gegenüber „neuen“ Koalitionskonstellationen im Zeitverlauf öffnen. Dies gilt – mit Ausnahme der von 2009 bis 2013 amtierenden Koalition aus Union und FDP – insbesondere dann, wenn Parteienkombinationen einmal Regierungsverantwortung trugen und somit den Wählern und den Parteianhängern verdeutlicht wurde, dass eine Zusammenarbeit im Bereich des Möglichen liegt und stabiles Regieren gewährleistet ist.