Seit Beginn der Lissabon-Strategie im Jahr 2000 bildet die Offene Methode der Koordinierung (OMK) ein zentrales Instrument der Europäischen Union, um die sozialpolitischen Reformen der Mitgliedsstaaten zu steuern. Ob, und wenn ja, wie, die OMK nationale Reformprozesse beeinflusst, ist in der Fachliteratur nach wie vor umstritten. Dieser Beitrag untersucht die Wirkungsweise der OMK am Beispiel Deutschlands. Zentrale Prämisse ist dabei, dass die OMK entweder rationalen Akteuren strategisch als Beschleuniger für bereits eingeschlagene Reformprojekte dienen oder als Wissenspool reflexive Akteure zu normativem bzw. kognitivem Umdenken anregen kann. Basie-rend auf 25 Experteninterviews und einer sorgfältigen Analyse der Primär- und Sekundärliteratur kommt dieser Beitrag zu dem Ergebnis, dass die OMK in den Bereichen der sozialen Eingliederung und der Alterssicherung moderate kognitive und agendasetzende Effekte hatte. Die OMK insgesamt ist allerdings kein trojanisches Pferd, das mit falschen Versprechen wirbt, sondern vielmehr eine „vertane Chance“ der sozialpolitischen Akteure, Reformprozesse progressiver zu gestalten.