Paul W. Thurner, Michael Stoiber, Cornelia Weinmann
Informelle Transgouvernementale Koordinationsnetzwerke der Ministerialbürokratie der EU-Mitgliedstaaten bei einer Regierungskonferenz

Politische Vierteljahresschrift, 2005: 46, issue 4, pp. 552-574

Im Rahmen einer quantitativen Beschreibung untersuchen wir die informellen transgouvernementalen Koordinationsbeziehungen zwischen den äquivalenten Ministerien der EU-Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996. Ausgangspunkt dieser Analyse ist die These einer zunehmenden Bedeutung transnationaler und transgouvernementaler Beziehungen als Ursache und Resultat der europäischen Integration. Während diese proklamierten Tendenzen im Hinblick auf ökonomische Verflechtungen und transnationale Verbindungen von gesellschaftlichen Akteuren als umfassend untersucht gelten dürfen, wurde den Beziehungen der politisch-administrativen Eliten weniger Aufmerksamkeit zuteil. Mittels diverser Konzepte der Netzwerkanalyse identifizieren wir die bisher latenten Strukturen dieser Beziehungen. Das so ermittelte Gefüge des Gesamtnetzwerkes weist eine Zentrums-Peripheriestruktur auf der Basis kohäsiver Blöcke auf. Die graduelle Zentrum-Peripherie-Struktur wird gebildet zwischen der Trias der ‚Mächtigen’ (Deutschland-Frankreich-Großbritannien) und den kleineren Staaten. Sie wird charakterisiert durch eine eindeutige Nord-Süd-Dimension. Die Kosten einer informellen Koordinierung werden v.a. von den großen ‚Führungsstaaten’ und ‚Maklern’ (BeNeLux und Finnland, Schweden, Österreich) in Kauf genommen.

We investigate the informal bilateral transgovernmental relations between equivalent ministries of EU member states during the preparation of the Intergovernmental Conference 1996. Starting point of this analysis is the hypothesis of a growing importance of transnational and transgovernmental relations as a cause and a result of European integration. Whereas these proclaimed tendencies have been extensively researched with regard to economic interdependencies and transnational relations of societal actors, networks of the administrative and bureaucratic elites have been rather neglected. Applying diverse concepts of network analysis we identify the hitherto latent informal network structures of the governments. The overall configuration can be described as a mixture of a centre-periphery structure and cohesive blocks. The gradual center-periphery structure consists of a ‘triumvirate’ of the powerful member states (Germany-France-Great Britain) and smaller states, and is characterized by a clear north-south dimension. The costs of informal coordination are mainly borne by the large member states as well as by ‘brokers’ (Austria, BeNeLux, Finland, Sweden).