Dirk De Bièvre
Governance in International Trade: Judicialisation and Positive Integration in the WTO

Köln
,
Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG)
,
2003

Positive integration among states, defined as the correction of negative externalities from liberalisation or the creation of new markets, is generally assumed to be very difficult to realise on the European level, let alone on an international or global level. The political transaction costs to come to positive integration legislation indeed seem daunting in an organisation with a membership of over 140 sovereign states that operates under conditions of unanimity, such as the World Trade Organization (WTO). Yet, member states seem to have crossed the Rubicon and have concluded a number of agreements imposing positive obligations to adopt new policy measures in fields traditionally restricted to the reserve of the sovereign nation state. There has been consistent political pressure to graft other, non-trade issues onto the WTO framework, i.e. to enlarge a formerly trade-only organisation to a governance structure that equally has regulatory competence. WTO member states have indeed introduced the obligation to internationally protect intellectual property rights, and concluded agreements on health, technical barriers to trade, and investment. There have further been – hitherto unsuccessful – calls to bring labour rights, environmental standards, or competition policy under the jurisdiction of the WTO. This raises the question: why and under which conditions is positive integration possible in the WTO? The present research proposal seeks to formulate theoretically embedded hypotheses that answer this until now open question. I argue that judicialisation – the presence of binding third party enforcement – makes every single WTO commitment more credible. As judicialisation facilitates enforcement, it exerts a pulling power on political actors in the legislative arm of the organisation to bring positive integration issues under the jurisdiction of the WTO. It is the aim of the present research proposal to test the explanatory force of this general hypothesis in empirical cases of positive integration (intellectual property, health, technical barriers to trade, and investment) and to come to new theoretical and empirical insights about the sources of and conditions for international cooperation. The proposal thus envisages to contribute to interdisciplinary research on judicialisation in international trade governance and its impact on the emergence of global governing structures.

Eine Politik der positiven Integration, definiert als Politik, die die negativen Folgen von Marktintegration korrigiert oder neue Märkte schafft, stellt schon auf europäischer Ebene eine Herausforderung für die zwischenstaatliche Koordination dar. Noch schwieriger gestaltet sie sich auf internationaler und globaler Ebene. Die politischen Transaktionskosten, die entstehen, wenn mehr als 140 Staaten in einem Einstimmigkeit erfordernden, legislativen Prozess – wie in der Welthandelsorganisation (WHO) – Schritte in Richtung einer Politik der positiven Integration unternehmen, sind sehr hoch. Dennoch haben in Fall der WHO die Mitgliedstaaten den Rubikon überschritten und eine Anzahl von Übereinkommen getroffen, die die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, bestimmte politische Massnahmen in Bereichen zu treffen, die früher ausschliesslich den Nationalstaaten oblagen. Es besteht ein ständiger politischer Druck, den Rahmen der WHO um Elemente zu ergänzen, die keinen exklusiven Handelscharakter haben, und damit die zuvor auf reine Handelsfragen beschränkte Organisation zu einer Steuerungsstruktur mit regulativen Aufgaben umzugestalten. So wurden Schritte zur internationalen Regelung des geistigen Eigentums ergriffen, sowie Abkommen über Gesundheit, technische Handelshemmnisse und Investitionen abgeschlossen. Weiter gibt es – bisher allerdings erfolglose – Bestrebungen weitere Politikbereiche wie etwa das Arbeitsrecht, die Umweltpolitik oder die Wettbewerbspolitik unter der Zuständigkeit der WHO zu bringen. Das wirft die Frage auf: warum und unter welchen Bedingungen ist eine Politik der positiven Integration in der WHO möglich? Der vorliegende Projektantrag formuliert theoretisch eingebettete Hypothesen, die versuchen, diese – bisher unbeantwortete – Frage zu beantworten. Ich argumentiere, dass Juridifizierung , d.h. die Existenz einer verbindlichen Konfliktschlichtung durch Dritte, jeder einzelnen Verpflichtung der Welthandelsorganisation mehr Glaubwürdigkeit verleiht. Indem die Juridifizierung die Durchsetzung der Bestimmungen der WHO erleichtert, setzt sie Anreize für die politischen Akteuren in der legislativen Arena der WHO, Fragen der positiven Integration in den Zuständigkeitsbereich der Gerichtsbarkeit der WHO zu bringen. Es ist das Ziel des geplanten Forschungsvorhabens, die Erklärungskraft dieser Hypothese anhand der empirischen Beispiele positiver Integration in der WHO (geistiges Eigentum, Gesundheit, technische Handelsbarrieren und Investitionsbarrieren) zu überprüfen und neue theoretische und empirische Einsichten in die Ursachen und Bedingungen einer internationalen Zusammenarbeit zu gewinnen. Damit soll ein Beitrag zu einer interdisziplinären Debatte über die Juridifizierung des Welthandelsregimes und deren Einfluss auf die Entstehung globaler Regierungsformen geleistet werden.