Gleichzeitig mit der inzwischen sehr weitreichenden supranationalen Integration der westeuropäischen Gesellschaften ist eine ungebrochene Kontinuität und Stabilität nationalstaatlicher Ordnungen und nationalstaatlicher Politik zu beobachten. Eine derartige Konstellation war bei der Gründung der Europäischen Gemeinschaften nicht abzusehen. Sie stellt auch die sozialwissenschaftliche Analyse des westeuropäischen Integrationsprozesses vor große Herausforderungen. Der hier vorgestellte Versuch einer institutionellen Analyse der Europäischen Union geht von der Hypothese aus, daß die Formen und Funktionen der Politik supranationaler Integration sehr viel stärker auf die Bewahrung nationaler Strukturen und die Erweiterung staatlicher Handlungsmöglichkeiten im jeweiligen binnengesellschaftlichen Raum und sehr viel weniger auf die Schaffung supranationaler Strukturen bezogen sind. Diese These hat vielfältige Implikationen für die Analyse und Erklärung des sozialen und politischen Wandels der westeuropäischen Gesellschaften in der Nachkriegszeit, wie auch für die Interpretation der Ausgangs- und Bezugspunkte der Politik supranationaler Integration.