Soziale Unterschiede im Gesundheitsverhalten verstehen und verändern: Ernährung als Schnittstelle zwischen sozialer Ungleichheit und Gesundheit

Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz
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vi, 986-993 S.
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2025

Barnils, Núria Pedrós, Nourat Noemi Alazza, Christine Emmer, Carolin M. Callies, Jutta Mata, Benjamin Schüz
ISSN: 1436-9990 (print), 1437-1588 (online)

Trotz eines gut ausgebauten Gesundheitssystems bestehen in Deutschland teils erhebliche soziale Unterschiede in der Gesundheit. Besonders sozial benachteiligte Menschen sind von höherer Krankheitslast und Mortalität betroffen. Ein großer Teil dieser Ungleichheiten lässt sich durch Unterschiede in gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen wie Ernährung erklären. Dieser Artikel beleuchtet theoretische Ansätze und aktuelle empirische Befunde aus der Perspektive von Behavioural and Cultural Insights – einer interdisziplinären Perspektive, die den Einfluss soziokultureller Faktoren auf Gesundheitsverhalten berücksichtigt –, um soziale Unterschiede in der Ernährung besser zu verstehen und gezielt zu verändern. Dabei spielen sowohl strukturelle als auch individuelle Faktoren eine wichtige Rolle: Die Ernährungsumgebung in sozial benachteiligten Regionen ist oft durch eine höhere Dichte von Fast-Food-Angeboten und mehr Werbung für ungesunde Nahrungsmittel geprägt. Gleichzeitig zeigen sich Unterschiede in verhaltensbezogenen Determinanten und deren Einfluss auf das Ernährungsverhalten. Zur Verringerung sozialer Unterschiede in der Ernährungsqualität und damit verbundener gesundheitlicher Ungleichheiten sind Strategien sowohl auf struktureller als auch auf individueller Ebenen notwendig. Regulative Maßnahmen – etwa Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel, eine verbesserte Verfügbarkeit gesunder Angebote oder fiskalische Anreize – können die Ernährungsumgebung positiv verändern. Zeitgleich sind Interventionen nötig, die individuelle Fähigkeiten und soziale Ernährungssysteme stärken, beispielsweise durch frühzeitige Ernährungsbildung, gesündere Rahmenbedingungen in der Gemeinschaftsverpflegung oder Programme zur Förderung von Selbstwirksamkeit.