Verbreitet die Nachricht. Formulierung und politische Auswirkungen gerichtlicher Entscheidungstexte

Research question/goal: 

 

Wie üben Gerichte durch die Urteilsbegründung politischen Einfluss aus? Um den Einfluss von Gerichten zu verstehen, konzentriert sich die Forschung meist auf die Ergebnisse gerichtlicher Entscheidungen – also darauf, ob ein Antrag einer klagenden Partei angenommen oder abgelehnt wird. Dieses Projekt nimmt eine breitere Perspektive ein, indem es untersucht, wie der Inhalt und Stil der Urteilsbegründung die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. Gerichtsurteile können in ihrer Zugänglichkeit stark variieren; einige verwenden eine einfache, inhaltlich verständliche Sprache, während andere auf fachspezifischen Jargon zurückgreifen, der für die Öffentlichkeit schwieriger zu verarbeiten ist. Leicht zugängliche Urteile werden wahrscheinlich von einer breiteren Medienberichterstattung erfasst, während komplexe Urteile möglicherweise weniger Beachtung finden. Dies deutet darauf hin, dass Richter durch die Art der Urteilsbegründung die Medienaufmerksamkeit und damit das Ausmaß des öffentlichen Bewusstseins für gerichtliche Entscheidungen beeinflussen können. Die öffentliche Auseinandersetzung mit Gerichtsurteilen findet nicht nur in traditionellen Medien statt, sondern auch in Diskussionen auf sozialen Medien.

Ziel dieses Projekts war es, sowohl etablierte als auch neuartige Methoden der automatisierten Textanalyse anzuwenden, um inhaltliche Aspekte gerichtlicher Entscheidungen zu kartieren und mit der öffentlichen Wahrnehmung zu verknüpfen. Wir beabsichtigten, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des US Supreme Court und des französischen Conseil Constitutionnel zu analysieren. Diese Gerichte unterscheiden sich in Struktur, Politisierungsgrad und Entscheidungsumfang, was einen Vergleich der Entstehung gerichtlicher Meinungen in unterschiedlichen Rechtssystemen ermöglicht.

Obwohl es uns nicht gelang, eine Finanzierung für die vollständige Durchführung des Projekts zu sichern, führten wir zwei vorbereitende Studien durch, die als eigenständige Artikel veröffentlicht wurden. Die erste Studie verwendete Zitationsnetzwerke, um Urteile deutscher Untergerichte zu skalieren, wobei der Schwerpunkt auf Forum-Shopping (Wahl eines für die Sache günstigen Gerichts) und Forum-Selling (Versuch von Gerichten, mehr Fälle anzuziehen) lag. Die zweite Studie nutzte Manifesto-Scores der Autoren von Schriftsätzen, um Gerichtsurteile und politische Akteure in einem gemeinsamen Policy-Space zu platzieren. Diese Methode wurde in zwei quantitativen Fallstudien anhand von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts demonstriert.

 

Current stage: