Die Kommunikationswissenschaft tendiert dazu, aktuelle soziotechnische Innovationen, etwa im Bereich der künstlichen Intelligenz, als Black Box zu behandeln und sich in nachlaufender Aufräumarbeit vornehmlich mit deren zeitversetzten manifesten Folgen zu beschäftigen. Da diese Innovationen die Gegenstände unseres Faches aber zunehmend prägen und erheblichen Einfluß auf den Öffentlichkeits- und Medienwandel haben, führt dies zu beträchtlichen Erklärungsdefiziten der Kommunikationswissenschaft. Wir schlagen daher eine Reorientierung der kommunikationswissenschaftlichen Forschung vor, die die Entstehung potenziell folgenreicher Innovationen in neuen emergenten Handlungsfeldern sowie deren Auswirkungen auf die strukturellen Bedingungen und kulturellen Prägungen von Öffentlichkeiten in den Mittelpunkt stellt. Für diese Reorientierung lassen sich Ansätze aus der Journalismusforschung (Redaktionsforschung; Pioneer Communities), der sozialkonstruktivistischen Wissenschafts- und Technikforschung (Social Construction of Technology; reflexive Technikfolgenabschätzung) sowie der kritisch-interventionistischen Innovationsforschung (Values in Design; Critical Data Studies) nutzen.Wir plädieren für einen gegenstandsangemessenen, theoriegenerierenden und kooperativen Forschungsprozess, der die Erklärungskraft und Zukunftstauglichkeit der Kommunikationswissenschaft stärken soll.