Carsten G. Ullrich, Bernhard Christoph
Soziale und Risikosolidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Zur Akzeptanz von "Entsolidarisierungsoptionen" bei gesetzlich Versicherten

Pp. 406-431 in: Claus Wendt, Christof Wolf (Eds.): Soziologie der Gesundheit. 2006. Wiesbaden: VS-Verlag
[Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie; 46]

Die Gesetzliche Krankenversicherung gilt zu Recht als eine besonders solidarische Form der sozialen Sicherung. So ermöglicht das Solidarprinzip eine Absicherung des Krankheitsrisikos, die sowohl von der finanziellen Zahlungsfähigkeit des Versicherten (sozialer Ausgleich) als auch von Risikofaktoren (Risikoausgleich) unabhängig ist. Der Risikoausgleich wurde jedoch durch gesundheitspolitische Entscheidungen zunehmend geschwächt; und die aktuelle Reform lässt erwarten, dass sich die Entwicklung fortsetzen wird. Im Beitrag wird daher der Frage nachgegangen, wie gesetzlich Versicherte Reformoptionen beurteilen, die zu einer deutlichen Schwächung des sozialen und des Risikoausgleichs führen würden. Es zeigt sich, dass eine hohe Bereitschaft zur Einschränkung des Risikoausgleichs besteht, sofern diese auf verhaltensbedingte Risiken beschränkt ist. Die Bereitschaft zur Risikoentsolidarisierung ist vor allem auf allgemeine Handlungsorientierungen sowie auf die Missbrauchswahrnehmung zurückzuführen.

The German statutory health insurance is considered to be a highly solidaristic insurance scheme. Thus, the “principle of solidarity” makes health insurance coverage possible, independent of the income (social solidarity) and the health status (risk solidarity) of the insured. Nevertheless, risk solidarity has been reduced by several health reforms and, as current public debates indicate, will be further weakened. This paper explores the attitudes of members of the statutory health insurance towards reform options which would lead to a reduction of social solidarity or of risk solidarity. It is shown that there is strong support for weakening risk solidarity, as long as it is restricted to health risks which can be attributed to health-related behaviour. This finding is best explained by action orientations und the perceived degree of benefit abuse.