Die Rettung von Juden im Zweiten Weltkrieg war in verschiedener Hinsicht außergewöhnlich. Sozialwissenschaftliche Handlungstheorien stellt sie vor die Herausforderung, prosoziales Verhalten unter Bedingungen großer Risiken zu erklären. Während das Gros der Literatur auf eine spezifische altruistische Persönlichkeit oder Identität der Helfer verweist, betonen Rational-Choice-Erklärungen die Bedeutung von Anreizen und Gelegenheiten zur Hilfe. Der Beitrag entwickelt eine integrative Erklärung auf Basis des Modells der Frame-Selektion, die diese Debatte aufzulösen und Bedingungskonstellationen der Hilfeleistung zu identifizieren erlaubt. Zur empirischen Überprüfung werden die in den 1980er Jahren retrospektiv erhobenen Daten des Altruistic Personality and Prosocial Behavior Institute (Oliner und Oliner, The altruistic personality: Rescuers of Jews in Nazi Europe, 1988) analysiert. Dabei wird ein in der Soziologie bislang kaum bekanntes statistisches Verfahren, sogenannte Boolean Regressionsmodelle, verwendet, mit dem sich komplexe Muster kausalen Zusammenwirkens rekonstruieren lassen. Die Analysen bestätigen die entwickelte Erklärung. Hilfeleistungen konnten spontan aus der Konfrontation mit einem Hilfegesuch und einer stark ausgeprägten prosozialen Orientierung resultieren oder abwägend in Abhängigkeit von der jeweiligen Anreiz- und Gelegenheitskonstellation erfolgen.