Thomas Plischke
Reaktionszeiten als Indikatoren für politische Einstellungen: Der Implizite Assoziationstest (IAT)

Methoden - Daten - Analysen, 2012: 6, issue 2, pp. 73-98
ISSN: 1864-6956

Die Messung von politischen Einstellungen durch verbalisierte Selbstauskünfte setzt voraus, dass sich Befragte ihren Einstellungen bewusst sind und die Bereitschaft aufweisen, diese zu berichten. Was ist jedoch zu tun, wenn mindestens eine dieser beiden Bedingungen nicht erfüllt ist? Die psychologische Forschung hat in den vergangenen Jahren eine Reihe von Messtechniken entwickelt, bei denen die Erfassung von Einstellungen nicht mehr auf bewusster Introspektion beruht, sondern auf Reaktionszeitdaten. In diesem Aufsatz werden Logik und Funktionsweise des derzeit populärsten Instruments dieser Art, dem „Impliziten Assoziationstest“ (IAT), erläutert. Es wird zudem diskutiert, wie sich sogenannte „implizite“ zu konventionellen („expliziten“) Einstellungsmesswerten verhalten. Die Validität des IAT wird anschließend anhand einer Studie über unentschlossene Wähler demonstriert. Es wird gezeigt, dass Reaktionszeitdaten individuelles Wahlverhalten von noch unentschlossenen Wählern erstaunlich gut vorhersagen können. Der Aufsatz schließt mit einer Bewertung des Nutzens von impliziten Messwerten in der politischen Einstellungsforschung.

Measurement of political attitudes through verbalized introspection presupposes that respondents are aware of their attitudes and motivated to report them. But what is to be done if at least one of these conditions is not met? In recent years, psychological research has developed a set of measurement techniques which do not rely on conscious introspection, but on reaction latencies. In this paper, the logic and functioning of the currently most popular instrument of this sort, the “Implicit Association Test” (IAT), will be elucidated. Furthermore, it will be discussed how so-called “implicit” and conventional (“explicit”) measures relate to each other. The validity of the IAT will be examined using data from a study about undecided voters. It will be shown that reaction latencies can predict individual voting behavior for undecided voters surprisingly well. The paper concludes by assessing the benefit of implicit measures in political attitude research.