Der Beitrag diskutiert den Versuch von Schnell und Kohler (1995), mit dem Nachweis einer abnehmenden Erklärungskraft sozio-demographischer Variablen bei der Vorhersage der Wahlabsicht die Individualisierungsthese empirisch zu belegen. Es wird argumentiert und gezeigt, daß die entsprechenden Befunde von Schnell und Kohler zu einem erheblichen Teil Artefakte des gewählten Vorgehens sind. Die benutzte Operationalisierung der Klassenvariablen, die im Zeitverlauf den stärksten Rückgang im Erklärungsbeitrag aufweist, präjudiziert teilweise das Ergebnis, weil sie Differenzierungen unberücksichtigt läßt, die vor allem in neuerer Zeit wahlentscheidend geworden sind. Die von Schnell und Kohler gewählten statistischen Maße sind ungeeignet für den Nachweis der Abnahme des prägenden Einflusses sozialer Zugehörigkeiten für das Handeln der Akteure, und sie überschätzen diese Entwicklung. Nach einer Reanalyse der Daten sind die Veränderungen der Einflußstärken der einzelnen Variablen deutlich schwächer als von Schnell und Kohler angenommen, und sie verlaufen nicht einheitlich in abnehmender Richtung. Deshalb sind die Befunde auch kein Beleg für den von Schnell und Kohler theoretisch postulierten Mechanismus, daß eine - mit der Modernisierung zunehmende - Zugehörigkeit zu verschiedenen sozialen Kategorien - generell zur Abnahme der Einflußstärke sozio-demographischer Variablen führe.