Konformitätsdruck, Selbstzensur und Verschleierung diskriminierender Einstellungen im Behördenalltag

Fragestellung/Ziel: 

Ziel des Projektes war es, experimentelle Evidenz über Art und Ausmaß von Konformitätsdruck, Selbstzensur und der Verschleierung diskriminierender Einstellungen in öffentlichen Behörden mit Kundenkontakt zu liefern und diese mit Verweis auf spezifische Behördenstrukturen und -kulturen zu erklären. Wir haben im Rahmen einer eigenen Behördenbefragung zwei Listenexperimente implementiert, um die Weigerung von Behördenmitarbeitern zu messen, a) rassistische Ansichten und b) beobachteten Rassismus offen zu äußern. Mit dieser indirekten Fragemethode wird das allgegenwärtige Problem der Verzerrung durch soziale Erwünschtheit bei sensiblen Fragen vermieden. In unserer Analyse stützen wir uns auf Listenexperimente, um das Ausmaß an Selbstzensur als Erklärung zu ermitteln. Die Kernidee ist ein systematischer Vergleich von indirekten und direkten Fragen. Dies ermöglicht es uns, selbstzensierendes Verhalten zu ermitteln: Selbstzensur = wahre Einstellung – berichtete Einstellung. Wir bezeichnen den in den Listenexperimenten gezeigten Rassismus als die „wahre“ Einstellung der Behördenmitarbeiter.

Über alle vier befragten Behörden hinweg - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Bundesagentur für Arbeit (BA), Bundespolizei (BP), Deutsche Zollbehörde - stimmen in einer direkten Abfrage 7.8 Prozent der Aussage zu, manche ethnische Gruppen seien von Natur aus weniger intelligent. In der indirekten Abfrage mittels Listenexperiment steigt dieser Anteil auf 11.6 Prozent. Daraus ergibt sich eine Differenz von 3.8 Prozentpunkten, die auf ein substanziell nicht sehr ausgeprägtes aber dennoch statistisch nachweisbares selbstzensierendes Verhalten verweist. Fragt man nach der Wahrnehmung von Rassismus in der eigenen Behörde, so bejahen in einer direkten Abfrage 13.4 Prozent der Behördenmitarbeiter die Existenz von rassistischer Diskriminierung. Im Listenexperiment steigt dieser Anteil 15.7 Prozent, was einer Differenz von 2.7 Prozentpunkten entspricht. Auch hier ist selbstzensierendes Verhalten nachweisbar, wenngleich es insgesamt nicht sehr stark ausgeprägt ist. Allerdings bestehen große Unterschiede zwischen den verschiedenen Behörden. So sind sowohl rassistische Einstellungen als auch deren Verschleierung in der Bundespolizei weiterverbreitet, als in den anderen drei untersuchten Behörden. Für die Bundespolizei liefert das Listenexperiment etwa einen doppelt so hohen Anteil an rassistischen Einstellungen, als eine direkte Abfrage. Dies deutet auf ein beachtliches selbstzensierendes Verhalten hin.

Fact sheet

Finanzierung: 
BMI
Laufzeit: 
2021 bis 2023
Status: 
beendet
Datenart: 
Surveydaten, experimentelle Evidenz
Geographischer Raum: 
Deutschland

Veröffentlichungen