Ulrich Mählert
Schauprozesse und Parteisäuberungen in Osteuropa nach 1945.

Aus Politik und Zeitgeschichte, 1996: Heft B37-38, S. 38-46

Innerparteiliche Säuberungen und politische Schauprozesse zählten zu den zentralen Terror- und Herrschaftsinstrumenten in den kommunistischen Diktaturen der Vor-und Nachkriegszeit. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten diese Maßnahmen sowohl außenpolitische wie innerpolitische Dimensionen. Stalin bediente sich dieser Instrumente, um die 'Sowjetisierung' Osteuropas voranzutreiben. Innenpolitisch beschleunigten die Schauprozesse und Parteisäuberungen den Transformationsprozeß der heterogenen Arbeiterparteien der Nachkriegszeit zu totalitären kommunistischen 'Parteien Neuen Typs'. Im Verlauf dieses äußerst gewaltsamen Transformationsprozesses liquidierten die aus dem Moskauer Exil zurückgekehrten kommunistischen Parteiführer konkurrierende Gruppen innerhalb des Parteiapparates. In bezug auf die Mitgliedschaft der Parteien hatten die Säuberungen vier wesentliche Funktionen zu erfüllen: Parteireinigung, Kaderentwicklung, Mitgliedererziehung und Mitgliedermobilisierung. Auf diese Weise sollten die - zumindest ideologisch verursachten - Funktionsdefizite in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft der frühen 'Volksdemokratien' überwunden werden. Die 'Hexenjagd' riß Anfang der fünfziger Jahre immer weitere Kreise der Partei in ihren Strudel. Erst mit Stalins Tod, im Frühjahr 1953, ebbte dieser Prozeß der Selbstzerstörung ab.