Thomas Bahle, Astrid Pfenning
Angebotsformen und Trägerstrukturen sozialer Dienste im europäischen Vergleich

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung: Arbeitspapiere; 34
Mannheim
,
MZES
,
2001
ISSN: 1437-8574

Soziale Dienstleistungen sind ein relativ neues Gebiet vergleichender Forschung zum Wohlfahrtsstaat. Es fehlt an komparativen Darstellungen des gesamten Feldes sozialer Dienste, gute Studien liegen jedoch für Dienste für ältere Menschen und Kinder vor. Soziale Dienste für alte Menschen haben sich in fast allen europäischen Ländern als eigenständiges Feld etabliert. Die Länder entwickeln zum Teil ähnliche Strategien in der Bewältigung steigender Nachfrage: Diversifikation des Angebots, Ausbau ambulanter Dienste, Privatisierung usw. Doch Angebot und Organisation der Dienste variieren nach wie vor zwischen den Ländern. Kinderbetreuung wird nicht in allen Ländern als öffentliche Aufgabe betrachtet. Große Unterschiede existieren für Kinder unter drei Jahren, weniger ausgeprägt sind sie für Kinder zwischen drei und sechs Jahren. Mit der Zunahme des Leistungsumfangs sozialer Dienste geht eine Pluralisierung der Anbieterstrukturen einher. Historisch betrachtet übernahmen meist freiwillige Organisationen Pionierfunktionen in der Erbringung sozialer Dienste. In Ländern wie Deutschland, Belgien und Frankreich haben sich Nonprofit-Organisationen als Partner in öffentlichen Systemen etabliert, in anderen, wie z.B. England, sind sie weniger in öffentliche Systeme eingebunden und übernehmen meist komplementäre Funktionen in der Betreuung von Problemgruppen. In den skandinavischen Ländern, in denen öffentliche Träger das Angebot dominieren, finden wir Nonprofit-Organisationen, die sich auf Interessenvertretung konzentrieren. In jüngerer Zeit haben in einigen Ländern kommerzielle Anbieter verstärkt das Feld sozialer Dienste betreten. Aus der Analyse der Angebotsformen und Trägerstrukturen sozialer Dienste kristallisieren sich vier Typen europäischer Dienstleistungsregime heraus: die skandinavischen Länder mit hoch entwickelten öffentlichen Dienstleistungssystemen, die südeuropäischen Länder mit gering entwickelten Systemen, ein liberaler Regimetyp mit einer Grundversorgung sozialer Dienste sowie ein mitteleuropäisch-konservativer Regimetyp, der durch eine relativ hohe, institutionalisierte Beteiligung von Nonprofit-Organisationen an der Dienstleistungserbringung charakterisiert ist.

Social services are a relatively new field of comparative welfare state research. Though comparative studies on the whole area of social services are still rare, good studies and data are available on services for elderly people and children. In almost all European countries services for the elderly are an established part of the welfare state. Countries have developed similar policies in meeting rising demands: diversification of services, investment in home-help services or privatization etc. Still, service provision and organization largely vary between countries. Child-care services are not in all countries regarded as public responsibility. There are big variations between countries with respect to services for children below three years, variations are smaller for children between three and six years. Increasing service provision has gone hand in hand with a pluralization of provider structures. In historical perspective, non-profit organizations often were pioneers in developing social services. In countries like Germany, Belgium and France non-profit organizations have become partners in public social service systems, in others like England, they are not as much integrated in public systems and often fulfil complementary functions in providing services for groups with special risks. In Scandinavian countries, where public services dominate, non-profit organizations have mainly advocacy functions. In recent years in some countries we observe a growing share of commercial service providers. The analysis of supply and provider structures reveals four distinct European social service systems: Scandinavia with highly developed public service systems, Southern Europe with low-developed services, a liberal type with a basic provision structure and a conservative type characterized by an institutionalized contribution of non-profit organizations to social service delivery.