Regionen als Handlungseinheiten in der europäischen Politik (REGE)

Fragestellung/Ziel: 

In der politischen und wissenschaftlichen Diskussion in den neunziger Jahren über die Verfassungsentwicklung der EG wurde den Regionen eine wichtige Rolle zugeschrieben. Im Mittelpunkt des Forschungsprojektes stand die Frage nach den Zusammenhängen zwischen der Fortentwicklung der EG seit Mitte der 80er Jahre und der augenscheinlichen Aufwertung der "Regionen" in der europäischen Politik. "Regionen" wird dabei als Sammelbegriff für die unterhalb der Ebene der EG-Mitgliedstaaten angesiedelten staatlichen Organisationseinheiten wie die deutschen Bundesländer, die spanischen Comunidades Autónomas, die italienischen Regionen, die französischen Regionen etc. verwendet. Entgegen der landläufigen These, dass Ausmaß und Unterschiedlichkeit der regionalen Betroffenheit durch EG-Politik die regionale Handlungsbereitschaft stimuliert und deren Umsetzung wesentlich durch die jeweilige politische Verfassung kanalisiert wird, wurde in diesem Projekt die Hypothese entfaltet und empirisch geprüft, dass Regionene sich zu politischen Handlungseinheiten dann entwickeln können, wenn sie institutionelle Anknüpfungspunkte für eine verdichtete Kommunikation zwischen öffentlichen und privaten Interessen bieten und politische sowie administrative Handlungsressourcen zur Abwehr unerwünschter Integrationsfolgen bzw. zur Kapitalisierung von Integrationsgewinnen mobilisieren können. Angesichts der unterschiedlichen Ressourcenausstattung und unterschiedlichen Fähigkeit zur Ressourcenmobilisierung sowie des Beharrungsvermögens gewachsener Institutionen wäre daraus ein höchst ungleicher politischer Aufstieg von Regionen zu prognostizieren, der durch Veränderungen in der verfassungsrechtlichen Stellung weder kurzfristig korrigiert werden könnte noch funktionalen Zwängen entsprechend sich bruchlos umformen ließe. Es hat sich dabei gezeigt, dass die Mobilisierung dieser Kommunikation vor allem von den in der Region langjährig verfestigten Politikstilen abhängt und trotz der Überzeugung in die Attraktivität dieser public-private Partnerschip nicht überall umgesetzt werden konnte. Als ein weiteres zentrales Ergebnis des Projektes ist festzuhalten, dass die Regionen in ihrer Interessenrepräsentation auf ihre Fähigkeit zur strategischen Interaktion angewiesen sind. Diese Fähigkeit zur strategischen Interaktion bildet neben den Möglichkeiten zur Interessenrepräsentation durch verfassungsrechtlich verankerte Rechte der Regionen innerhalb der Nationalstaaten und eine starke bzw. schwache wirtschaftliche Stellung (die sich in finanziellen und administrativen Ressourcen widerspiegelt) eine der drei wichtigen Komponenten, die die Strategien der Regionen auf europäischer Ebene beeinflussen. Geht man von einer höchst ungleichen Ausstattung europäischer Regionen mit Kompetenzen, Ressourcen und vor allem der Fähigkeit zur strategischen Interaktion aus, so ist eine auf Dauer angelegte strukturelle Schwäche und damit Benachteiligung einiger Regionen in der angemessenen Interessenrepräsentation im interaktiven Mehrebenensystem auszumachen. Angesichts immer knapper werdender europäischer Ressourcen und zunehmender Konkurrenz der Regionen untereinander, wird dies in der Zukunft zu einer stärkeren Divergenz in der regionalen Entwicklung der Regionen führen. Eine Entwicklung, die der europäischen Zielvorstellung der Kohäsion der europäischen Regionen entgegen steht.

Fact sheet

Finanzierung: 
VW-Stiftung
Laufzeit: 
1992 bis 1996
Status: 
beendet
Datenart: 
Netzwerkanalyse, Umfragedaten, Sekundäranalyse
Geographischer Raum: 
Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien

Veröffentlichungen

Bücher

Kohler-Koch, Beate, Thomas Conzelmann und Michèle Knodt (2004): Europäische Integration - Europäisches Regieren. Wiesbaden: VS, Verl. für Sozialwissenschaften. [Grundwissen Politik; 34] mehr
Kohler-Koch, Beate, Thomas Conzelmann und Michèle Knodt (2004): Europäische Integration – Europäisches Regieren (Chinesische Übersetzung). Beijing: Chinese Academy of the Social Sciences. mehr
Conzelmann, Thomas, und Michèle Knodt (Hrsg.) (2002): Regionales Europa - Europäisierte Regionen. Frankfurt/New York: Campus. [Mannheimer Jahrbuch für Europäische Sozialforschung; 6] mehr
Knodt, Michèle, und Beate Kohler-Koch (Hrsg.) (2000): Deutschland zwischen Europäisierung und Selbstbehauptung. Frankfurt/New York: Campus. [Mannheimer Jahrbuch für Europäische Sozialforschung; 5] mehr
Knodt, Michèle (1998): Tiefenwirkung europäischer Politik : Eigensinn oder Anpassung regionalen Regierens?. Baden-Baden: Nomos-Verl.-Ges.. mehr
Kohler-Koch, Beate (Hrsg.) (1998): Interaktive Politik in Europa. Regionen im Netzwerk der Integration. Opladen: Leske und Budrich. mehr