Anja Hall
"Drum prüfe, wer sich ewig bindet". Eine empirische Untersuchung zum Einfluß vorehelichen Zusammenlebens auf das Scheidungsrisiko

Zeitschrift für Soziologie, 1997: 26, Heft 4, S. 275-295

Der Rückgang der Heiratsziffern sowie die Verschiebung der Eheschließung auf einen späteren Zeitpunkt im Lebensverlauf können u.a. durch neue Formen des Zusammenlebens erklärt werden. Eine in diesem Zusammenhang für Deutschland noch weitgehend ungeklärte Frage ist, ob durch eine 'Probeehe' das Scheidungsrisiko einer nachfolgenden Ehe verringert werden kann, weil - wie die 'weeding'-Hypothese postuliert - instabile Partnerschaften vor einer Eheschließung beendet werden können. Zahlreiche Befunde aus verschiedenen Ländern können diese Annahme nicht bestätigen: Sie zeigen vielmehr, daß voreheliches Zusammenleben mit einem höheren Scheidungsrisiko verbunden ist. Der Aufsatz überprüft für Deutschland die 'weeding'-Hypothese anhand eines aktuellen und eigens für das Thema 'Eheschließung' konzipierten Datensatzes. Die Analyse zeigt erstens, daß Paare, die vor der Ehe zusammengelebt haben, aufgrund ihrer Merkmale einem höheren Scheidungsrisiko unterliegen und daher ein inhärent höheres Scheidungsrisiko besitzen. D. h. die Wahl einer 'Probeehe' und das Scheidungsrisiko hängen von gemeinsamen Merkmalen ab. Zweitens ist eine kurze Zeit des Zusammenlebens nicht ausreichend, um das inhärent höhere Scheidungsrisiko zu kompensieren. Eine mindestens einjährige 'Probeehe' wirkt sich dagegen nicht mehr destabilisierend auf die Ehe aus.