In der Verhandlungstheorie gibt es zahlreiche spiel- und tauschtheoretische Modelle, die bei gegebenen Interessenkonstellationen der beteiligten Akteure verschiedene Lösungen eines Verhandlungsproblems anbieten. Selten werden diese Modelle empirisch angewendet und bezüglich ihrer Übereinstimmung mit realen Verhandlungen überprüft. In Anwendung auf Präferenzen der Mitgliedstaaten der EU während des Endgames der Regierungskonferenz 1996 haben wir die Gewinnmenge, die Nash-Verhandlungslösung, das sogenannte Mean-Voter-Theorem, eine von Henning vorgeschlagene Version des Tauschmodells sowie die Median-Lösung empirisch vergleichend ermittelt. Beurteilungskriterien des Vergleichs waren einerseits die Nähe der Modelllösungen zum tatsächlichen Verhandlungsergebnis (Vertrag von Amsterdam), andererseits die Höhe des durch die verschiedenen Modelllösungen erreichbaren individuellen und kollektiven räumlichen Nutzens. Es zeigt sich, dass vor dem Hintergrund eines relativ stark institutionalisierten Verhandlungssystems die auf einer Kooperationsannahme basierenden Modelle (Nash-Verhandlungslösung und Tauschmodell) den höchsten Gesamtnutzen für die Akteure liefern. Gleichzeitig erzielen sie die höchste Prognosegüte. Ferner können wir zeigen, dass in allen Modellen die Annahme einer Machtgleichverteilung unter den Staaten zu besseren Ergebnissen führt als die Annahme, große Mitgliedstaaten seien mächtiger als kleine.