Eric Linhart, Paul W. Thurner
Die Erklärungskraft spiel- und tauschtheoretischer Verhandlungsmodelle bei gegebenem Institutionalisierungsgrad. Ein empirischer Vergleich am Beispiel des Endgames der Regierungskonferenz 1996

Mannheim
,
MZES Projektbericht
,
2002

In der Verhandlungstheorie gibt es zahlreiche spiel- und tauschtheoretische Modelle, die bei gegebenen Interessenkonstellationen der beteiligten Akteure verschiedene Lösungen eines Verhandlungsproblems anbieten. Selten werden diese Modelle empirisch angewendet und bezüglich ihrer Übereinstimmung mit realen Verhandlungen überprüft. In Anwendung auf Präferenzen der Mitgliedstaaten der EU während des Endgames der Regierungskonferenz 1996 haben wir die Gewinnmenge, die Nash-Verhandlungslösung, das sogenannte Mean-Voter-Theorem, eine von Henning vorgeschlagene Version des Tauschmodells sowie die Median-Lösung empirisch vergleichend ermittelt. Beurteilungskriterien des Vergleichs waren einerseits die Nähe der Modelllösungen zum tatsächlichen Verhandlungsergebnis (Vertrag von Amsterdam), andererseits die Höhe des durch die verschiedenen Modelllösungen erreichbaren individuellen und kollektiven räumlichen Nutzens. Es zeigt sich, dass vor dem Hintergrund eines relativ stark institutionalisierten Verhandlungssystems die auf einer Kooperationsannahme basierenden Modelle (Nash-Verhandlungslösung und Tauschmodell) den höchsten Gesamtnutzen für die Akteure liefern. Gleichzeitig erzielen sie die höchste Prognosegüte. Ferner können wir zeigen, dass in allen Modellen die Annahme einer Machtgleichverteilung unter den Staaten zu besseren Ergebnissen führt als die Annahme, große Mitgliedstaaten seien mächtiger als kleine.

Negotiation theory offers numerous solution concepts for conflicts. Rarely, these concepts have been empirically applied. Relying on preferences of the EU member states during the endgame of the Intergovernmental Conference 1996 we compare different solution concepts: the win set, the Nash bargaining solution, the so-called mean voter theorem, a version of an exchange model as proposed by Henning, and the median. We calculate individual as well as collective spatial utilities as determined by the different solutions and the Amsterdam Treaty, respectively. Second, we assess the different degree of predictability of each of the solutions. As to be expected by the rather high institutional embeddedness of the negotiations, cooperative solution concepts (Nash bargaining solution and the exchange model), both fit the real outcome best. Given the real preference constellation they also provide for the highest collective spatial utility. Last but not least we show empirical evidence that bigger countries are not more successful in getting through their negotiation positions.