Tadeusz Olszanski
Die Ukraine und Rußland: Von der Desintegration zur Reintegration?

Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung: Arbeitspapiere; 43
Mannheim
,
MZES
,
2002
ISSN: 1437-8574

Das vorliegende Arbeitspapier untersucht die sicherheitspolitischen und ökonomischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Rußland seit dem Zerfall der Sowjetunion und stellt sie in den Kontext des im Wandel begriffenen ost- wie gesamteuropäischen Ordnungssystems. Zunächst zeigt der Autor, daß die Staats- und Nationsbildungsprozesse in der Ukraine als Herauslösung aus dem von Moskau dominierten Staatsgebilde einen eskalationsträchtigen Komplex verschiedener, eng verbundener Konflikte verursacht hat. Im Vordergrund standen dabei zunächst die territoriale Integrität der Ukraine oder sogar die Existenz eines unabhängigen ukrainischen Staates. In dieser identitäts- und sicherheitspolitischen Auseinandersetzung suchte die Ukraine erfolgreich die Unterstützung der Europäischen Union wie der USA. Die ukrainische Staatlichkeit kann heute als stabilisiert gelten. Parallel dazu verlief eine Desintegration des gemeinsamen ukrainisch-rußländischen Wirtschaftsraums sowie der Versuch der Ukraine, auch im ökonomischen Bereich durch einen mittelfristigen Beitritt zur EU enger an Westeuropa angebunden zu werden. Das Scheitern dieser ukrainischen Ambitionen, die Beilegung der existentiellen Konflikte mit Rußland sowie eine mittlerweile deutlich auf Europa ausgerichtete rußländische Außenpolitik führten zu einer seit Anfang des Jahres 2000 zu beobachtenden Wiederannäherung der Ukraine an Rußland. Dies ist allerdings nicht als Anfang vom Ende des Doppelziels einer souveränen, in die europäische Staatengemeinschaft integrierten Ukraine zu verstehen sondern vielmehr unter der Losung "Mit Rußland nach Europa" als Weg zu diesem Ziel.

The following paper investigates the development of bilateral relations between Ukraine und Russia in the area of security policy and economy since the disintegration of the Soviet Union. The framework for the analysis are the permanent changes taking place in the entire European political and economic system. Tadeusz Olszañski argues, that the process of state building and nation building in the Ukraine after the collapse of Moscow dominated Soviet Union caused a wide array of interconnected conflicts which could easily escalate. At first the territorial integrity of Ukraine and even the very existence of the independent Ukrainian state were essential for controversies. For its striving to regain independence Ukraine sought successfully the endorsement of the European Union and the United States. Today Ukrainian sovereignty can be assessed as solid and stable. Parallel to this process, the disintegration of the common Ukrainian und Russian economic system proceeded und Ukraine hoped, in the long run through the membership in the EU, to come closer to western Europe in the area of economics. The failure of these Ukrainian ambitions, the successful settlement of its essential conflicts with Russia and the new Russian foreign police meanwhile oriented much more on Europe have lead to a noticeable Ukrainian-Russian rapprochement since the beginning of the year 2000. However, this can not be assessed as the beginning of the end of the Ukrainian aim to be both: sovereign and integrated with the EU. It is instead much more meant as a way to this aim under the new slogan "Together with Russia to Europe".